Spuk im Nebel

Pünktlich zu Halloween hat sich auch unsere Umgebung verkleidet und einen dichten Nebelschleier übergezogen. Aber Nebel ist nichts Seltenes hier – fast den ganzen Winter lang hängt ein Nebelband über dem Bodensee. Tag für Tag. Mama meint, dass der Nebel die Menschen oft traurig macht. Vielleicht trinken sie deswegen so viel Apfelmost? Bei mir und Mama schlägt der Nebel aber nicht auf das Gemüt! Deswegen nutzten wir unseren freien Nachmittag und machten einen kleinen Ausflug.
Kurz dachte ich daran, dass heute ja Halloween war – ob es da so eine gute Idee war in den Nebel zu gehen? Aber ein echter Gipfelstürmer hat keine Angst vor Kürbisköpfen und verkleideten Kindern!

Na gut, das mit den Kürbisköpfen war vielleicht etwas zu leichtsinnig gesagt, denn gleich im Treppenhaus lauerte ein besonders gruseliges Exemplar davon. Die Nachbarn hatten den Kürbis aufgestellt und so funkelte er uns böse entgegen, als wir die Treppen hinunter gingen. Natürlich knurrte ich ihn gleich an, er musste ja sehen WER hier der Herr im Haus ist!
Vor dem Haus der nächste Schreck: eine bucklige Gestalt mit grünen Haaren und alter zerrissener Kleidung ging auf der gegenüberliegenden Straßenseite auf und ab. Plötzlich begann er mit einem langen Holzstab gegen die Bäume zu klopfen. Blätter und Äste fielen herunter. Ich erschrak mich fürchterlich und bellte wie verrückt den Nebelgeist an: “Verschwinde! Verschwinde! WUFF!” Doch da erkannte ich, dass es nur der alte Opa mit der grünen Mütze von nebenan war. Uff, der kann ganz schön gruselig sein…

Wir folgten der Straße ortsauswärts. Der Nebel schränkte unsere Sicht ein und wir spürten seine kalten nassen Finger, die nach uns griffen und uns immer tiefer in das große weiße “Nichts” zogen.
Hinter der nächsten Ecke lauerten kleine gehörnte Teufelchen auf uns! Sie tauchten so unvermittelt auf, dass wir wie angewurzelt stehen blieben. Die Teufel sprangen wild umher und stießen seltsame Klänge aus, die in unseren Ohren hallten. Es klang wie ein Rufen, eine verzerrte unverständliche Sprache. Fast hätte ich die Flucht ergriffen, doch dann sah ich, dass es nur Ziegen waren. Puhh, ähhhm, also das hatte ich natürlich schon geahnt. Teufelchen, ha, wo sollen die auch herkommen?
Mama und ich bogen in eine kleine Straße zwischen den abgeernteten Apfelbäumchen ein. So kahl und leer wirkten die Bäume wie Gerippe. Gerippe in einem endlosen Meer aus Nebel. Ihre Äste formten Fratzen und merkwürdige Gebilde in der Luft. Dann und wann sah man noch einzelne Äpfel an Bäumen. Im Nebel erinnerten sie an vergessene glanzlose Kugeln an einem alten Weihnachtsbaum, der längst seine Nadeln verloren hat.

Wir erreichten ein abgeerntetes Feld, dort tobte ich mich richtig aus. Ich sprang über abgeknickte Maispflanzen und die tiefen Furchen, die der Traktor in den Boden gerissen hatte. Das machte einen Riesenspaß! Mama und ich verließen danach die Apfelplantage und gingen zu einem kleinen Fluss in der Nähe unseres Dorfes. Dort hörten wir Hundegebell in der Ferne. Vögel wurden aufgeschreckt und flogen kreischend über unseren Köpfen davon.
Mama und ich sahen in das dunkle Wasser des Flusses. Der Nebel spiegelte sich in ihm und ließ fast den Eindruck erwecken, als durchzöge ein milchiges Band das Wasser. Fliegen flogen zwischen den Grashalmen hervor, oder waren es Wassergeister? Ich schaute genauer hin, konnte aber nichts erkennen. Es wurde bereits dunkel.

Wir verweilten noch etwas, dann gingen wir nach Hause. Im Treppenhaus blickte mich der Kürbiskopf grimmig an, ich blickte grimmig zurück! Die Kerzen in seinem Hohlkopf flackerten angsterfüllt. Damit war wohl endgültig alles geklärt zwischen uns.
Mama trocknete mich in unserer Wohnung ab, denn die Feuchtigkeit, die sich durch den Nebel auf das Gras gelegt hatte, hatte mein Fell völlig durchnässt. Danach legte ich mich in meinen Korb und träumte von Ziegen mit Kürbisköpfen, alten Opas mit grünen Haaren und einem kahlen Weihnachtsbaum voller Äpfel.

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4 Antworten auf Spuk im Nebel

  1. nyn schrieb:

    Huhu Archie
    Du bist ein gaaanz tapferer ..nei DER allertapferste Chi-Geistervertreiber und Gipfelstürmer! Wie am Berg so im Nebel. Und Du passt auch immer gut auf deine Mama auf, dass sie sich nicht verläuft. :D

    Bin gespannt auf deine weiteren Berichte^^

    • Archie schrieb:

      Danke lieber Nyn :)

      Und na klar, auf Mama passe ich immer ganz besonders gut auf! Kein Nebelgeist oder Kürbiskopf verschreckt mir mein Frauchen… *grrr*

  2. Nero & Murphy schrieb:

    Hi Archie,

    was für eine spannende Geschichte :-D Gut, dass Dein Fraule dich zum Wächter hat – wer weiß, was sonst womöglich alles passiert wäre! Wir blieben vom Geistertreiben verschont, aber neblig ist es dieser Tage ständig….

    LG und Wuff, Nero & Murphy

    • Archie schrieb:

      Hallo Nero & Murphy :)

      Ohne mich hätte sich mein Frauchen bei dem dichten Nebel bestimmt gar nicht vor die Tür getraut. Sie fühlt sich da nämlich oft sehr unwohl… aber wie sagt man so schön: Nur Menschen mit Phantasie haben Angst im Dunkeln (oder eben auch im Nebel). Ich bin zwar kein Mensch, aber auf mich trifft das wohl auch zu – nachts belle ich manchmal die Zimmerpflanze an, weil ich sie für einen bösen Geist halte. :D

      Liebe Grüße vom Gipfelstürmer

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